Marvin, der Film-Komparse

„Kamera? Licht? Und Action, bitte!“ – ob diese Worte bei Dreharbeiten wirklich fallen, das durfte jetzt Marvin Menne herausfinden. Der Junge mit Trisomie 21, dessen Eltern Mitglied der Elterngruppe „Unser Kind mit Down-Syndrom“ sind, spielte als Komparse beim Film „Paula“ mit. Der Film handelt vom Leben der Malerin Paula Modersohn-Becker und wird zum Teil in Billerbeck bei Münster gedreht. Regisseur Christian Schwochow ließ dort eine Szene in einem Armenhaus filmen, in dem zur Jahrhundertwende auch Menschen mit Down-Syndrom lebten. Marvins Mutter Dorethea berichtet von den Dreharbeiten.

Der Pandorafilm-Verlag hatte einen Komparsen mit Down-Syndrom für den neuen Film „Paula“ gesucht und sich dazu an unsere Elterngruppe gewandt. Jedoch sollte derjenige älter als 12 Jahre alt sein. Nachdem ich Kontakt aufgenommen und ein Foto von Marvin geschickt hatte, kam die Zusage. Marvin wollte sich alles erst einmal unverbindlich anschauen. So kam es zum ersten Termin zur Anprobe in Billerbeck, wo der Film gedreht werden sollte. Der Drehort war der Hof „Haus Runde“. Die Halle war umfunktioniert und die Arbeitsplätze für die Maskenbildnerinnen sahen aus wie in einem „richtigen“ Film. Wir durften uns zunächst hinsetzen und ich bekam die Anmeldung zum Ausfüllen. Marvin fing sogar an, sie selber auszufüllen.

Marvin bekam für seine Komparsen-Rolle ein Kostüm und wurde geschminkt.

Marvin bekam für seine Komparsen-Rolle ein Kostüm und wurde geschminkt.

Kurze Zeit später wurde Marvin zur Anprobe mitgenommen. Er bekam alte, eingerissene Anziehsachen, da er einen armen Jungen aus dem Armenhaus spielen sollte. Marvin gefiel die Kleidung zunächst gar nicht und meinte nur zu mir: „Mama ….voll peinlich die Sachen!“ Nachdem ich es ihm erklärt habe, war es dann aber wieder ok. Anschließend musste er zur Maske und dort wurde er „schmutzig“ geschminkt und fotografiert. Dann kamen noch zwei Drehtage auf Marvin zu.

Der erste Drehtag war direkt im Haus Runde in Billerbeck. Es war schon beeindruckend, was für eine Technik dafür nötig ist. Angefangen von vielen Mikrofonen bis zu den riesengroßen Scheinwerfern. Leider durften keine Fotos gemacht werden. Marvin blieb nicht viel Zeit, sich einen groben Überblick zu machen, was dort überhaupt passiert. Er wurde aufgerufen und mit ins Haus genommen und erst nach ca. 3-4 Stunden hab ich ihn wieder gesehen. Allerdings konnte man draußen durch die Kamera zeitweise verfolgen, was dort aufgenommen wurde. Marvin hatte die Aufgabe, mit anderen nicht-behinderten Kindern im Bett zu liegen und ein Bild anzuschauen. Diese Aufgabe hat er sehr gerne durchgeführt. Gegen 19 Uhr bekamen wir noch eine warme Mahlzeit und fuhren nach Hause.

Der zweite Drehtag fand nur draußen statt. Marvin zog sich seine zugewiesene Kleidung an und ging schon fast selbstverständlich in die Maske. Die Dreharbeiten liefen bereits schon den ganzen Vormittag. Ein Manager kam auf Marvin zu und fragte ihn, worauf er denn wohl Lust hätte. Ob er z. B. am Feuer sitzen möchte, Besen flechten wollte usw. Dann kam der Vorschlag, dass Marvin auch einen Mann, der mit einem weiteren Mann am Wegrand auf Steinen saß, mit einem langen, dünnen Stöckchen ärgern könne. Er sollte ihn von hinten am Hals mit dem Stöckchen ärgern und so tun, als wäre er es nicht gewesen. Anschließend wurde Marvin von dem Schauspieler immer ausgeschimpft. Diese Aufgabe fand Marvin gut und man merkte, dass er nach jedem Dreh mutiger und sicherer wurde. Er hatte richtig Spaß.

Es war für mich beeindruckend, wie pflichtbewusst Marvin seine „Rolle“ an allen Tagen übernommen hat. Vor allem, wie selbstständig er dabei war. Welches „nicht-behinderte“ Kind würde das über soooo viele Stunden über sich ergehen lassen? Vor allem war es auch sehr, sehr kalt und Marvin hat in den dünnen Sachen ziemlich gefroren. Auch die Schauspieler, die zum Teil sehr berühmt sind, haben ihn sehr gut aufgenommen. Teilweise kamen sie auf Marvin zu und begrüßten ihn und stellten sich mit Vornamen vor. In einem Jahr wird der Film fertig sein und da sind wir alle sehr gespannt drauf. Marvin ist total stolz, dass er dabei sein durfte, und vor allem, dass er so seine erste Gage verdient hat. Es ist schön als Mutter zu sehen, dass es auch mal Situationen gibt, wo Menschen mit Down-Syndrom gesucht werden. Dieses Erlebnis werden wir nicht so schnell vergessen. Vielen Dank an das Pandorafilm-Team!

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